Cancer
Krebs ist mir passiert, nicht den anderen.
Familiärer Brustkrebs - BRCA1

Nightmare
Ich habe den Schnee noch unter meinen Füßen gespürt. Gerade erst hatte ich die Prüfung im australischen Snowsports Level 3 absolviert, habe 16 Wochen täglich trainiert – an der Buckelpiste bin ich ganz knapp gescheitert. Ich war gerade auf dem Weg nach Sydney, wollte in ein paar Wochen in der Schweiz als Skilehrerin arbeiten und dann nach Japan weiter, die Prüfung wiederholen. Back to Back Winter eben. Ich war unterwegs – wie immer. Ich war frei. Ich liebe die Freiheit. Ich ziehe weiter, immer in Bewegung.Dann kam der Traum.
Ich habe Brustkrebs. Es war so klar, so echt, dass ich sofort dachte: Ich muss zum Arzt.
Am nächsten Tag habe ich den Traum verdrängt. Jeder träumt mal schlecht, oder? Ich Brustkrebs, in dem Alter? Never ever.
Aber er kam wieder. Genau derselbe Traum. Immer und immer wieder. Ich kann mich sonst nie an Träume erinnern.Plötzlich war da dieses Gefühl: Da stimmt etwas nicht. In der rechten Brust. Ich spürte etwas. Ich wusste es. Und gleichzeitig: Scheiße. Ich mag keine Ärzte. Ich gehe nie zum Arzt. Und hier – in Australien? Gibt’s da überhaupt Frauenärzte?Dann dieser Satz:
„Looks like cancer. You have to fly back – immediately. Back to Germany.“Ich dachte, sie machen Witze. Ich war doch gerade dabei, mein Leben zu leben. Stillstand. Tränen. Nichts als Tränen.
Australien. Abschied.
Und plötzlich: Krankenhaus in Cottbus. Jeden Tag. Immer wieder.
Ein Ort, wo ich nicht sein wollte. Ein Ort, wo ich Angst habe, ein Ort wo ich überfordert bin, ein Ort wo ich mich krank fühle, ein Ort der mich zu einem anderen Menschen macht, ein Ort der mich einfrieren lässt.Ich wusste nicht, wie das gehen soll, dieses Krebs haben. Ich wollte nicht sterben. Ich wollte einfach nur frei sein, zurück in mein altes Leben, meine Freunde sehen, Ski fahren.
Ich hatte kaum mal eine Schmerztablette genommen – und jetzt Chemo?
Es war ein Albtraum, aus dem ich nicht aufwachen konnte. Immer wieder kamen schlechte Nachrichten. Sonne gab es auch keine, niemand lächelte hier. Der Kaffee ist furchtbar und ich sterbe, vielleicht?

Hospital
Ich wollte das alles nicht.
Keine Chemo. Keine Tabletten. Keine Operationen.
Ich wollte einfach weiterleben. Frei. Unversehrt.
Aber es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe: Wenn ich leben möchte, muss ich da irgendwie durch. Ich brauche eine umfassende Behandlung. Zum Glück bin ich auf diesen einen Menschen getroffen, der alles gegeben hat, damit ich dies begreifen konnte. Jemand, der geblieben ist, auch wenn es richtig ungemütlich wurde und mir dadurch das Leben rettete. Jemand der mir geholfen hat weiterzugehen.Dann kam die genetische Testung: BRCA1-positiv.
Meine Oma war mit 32 an Brustkrebs gestorben. In genau dem Alter, in dem ich erkrankte. Aber darüber gesprochen hat man nie. Daher spreche ich über Krebs, weil Wissen schützen kann. Man hat die Chance zu handeln.Ich bin ständig über meine Grenzen gegangen. Die Therapie hat alles abverlangt und bis heute habe ich Albträume aus dieser Zeit.
Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Seele zersplittert in dem Moment, in dem das Gift in mich hineinfloss.
Der Tumor rückte in den Hintergrund – ich musste einfach nur versuchen, die Chemotherapie zu überleben.Nichts ging mehr.
Ich konnte keine Türen öffnen, musste warten, bis andere sie für mich aufmachten.
Ich konnte nicht essen, nicht allein aufstehen, nicht einmal ein Glas Wasser halten.
Ich war gefangen in meinem eigenen Körper. Die Abhängigkeit und Hilflosigkeit waren das schlimmste.Dann kam die Operation: die Abnahme der Brust.
Ein Organ wurde amputiert.
Und es tat weh.
Nicht nur körperlich – sondern tief.
Unendlich tief.Das Trauma sitzt tief und der Brustabdruck erinnert an meine linke Brust. Er tröstet. Meine linke Brust ist jetzt auch weg und ich lebe flach. Den Bauch sehe ich jetzt immer als erstes aber das ist egal, weil ich gesund bin!Der Krebs hat mir unendlich viel genommen. Aber niemals mein Lachen – und darauf bin ich stolz.In der schwersten Zeit meines Lebens habe ich mich oft
einsam und unverstanden gefühlt.
Ich bin vielleicht einen anderen Weg gegangen als andere Frauen.
Aber es war mein Weg.Und heute bin ich unendlich dankbar für jeden einzelnen Tag,
an dem ich in Bewegung sein darf.Es ist mir eine Herzensangelegenheit,
mich für andere Betroffene stark zu machen.
Für junge Menschen. Für Frauen,
die Ermutigung brauchen, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen.Danke das du das gelesen hast.
Dokumentation Empfehlung: ARD-Mediathek: Mein Körper. Meine Brüste
Ein besonderer Dank geht an: Meine Onkologin, Die Deutsche Stiftung junge Erwachsene mit Krebs, meine treuen Freunde auf der ganzen Welt, AMSOB e.V.- Selbstbewusst ohne Brust und meinen lieben Papa ❤

Thanks
You can’t wait until life isn’t hard anymore before you decide to be happy. Nightbirdphotos by Julia Okon